Freudsche Psychoanalyse

 

Prä-ödipale psychische Entwicklungsstufen
Das späte prä-ödipale Selbst oder: Die Welt als Zitze

Sexualität oder: Die Welt als Mama

Die Borderline-Pathologie hat eine verwirrende Eigenschaft: Der Borderliner trägt in sich eine Gier, die aus prä-ödipaler Zeit stammt, sich aber in einer ödipalen Form zeigt; hätte er keine "Wir"- und "Ihr"-Vorstellung, würde er diese Gier auf alles mögliche richten, so aber wird dieser Gier sozusagen eine Form vorgehalten, die ihr die Richtung vorgibt: den gegengeschlechtlichen Menschen. Das Durchlaufen der ödipale Phase bewirkt zwar ebenfalls, daß der Sexual-Trieb kanalisiert wird, jedoch sind dann Sexualiät und Aggression bereits ineinander vermengt und der Andere wird als Anderer gesehen, beim Borderliner hingegen schießen die Triebe (hauptsächlich Haß) unvermengt durch diese Kanalisierung: Es ist eine prä-ödipale Gier im ödipalen Gewand.

Zu beachten ist auch, daß der Borderliner aufgrund der mangelhaften Ausbildung von "Wir"- und "Ihr"-Bildern gewissermaßen nur zu inzeßtuösen Beziehungen fähig ist. Er erkennt den anderen nicht als Anderen, seine Gier versucht den anderen zu vereinnahmen und zu verschlingen, zu einem Teil seiner selbst zu machen, und weil er auf emotionaler Ebene nur die enge Mutter-Beziehung kennt, werden auch oberflächliche Kontake vorzeitig sexualisiert. Gleichzeitig werden sexuelle Beziehungen durch die wut- und angstvoll erlebte Mutterbeziehung als gefährlich konzipiert. Dies ist unter anderem die Ursache für die bei Borderline-Kranken häufig zu beobachtende Promiskuität. Der Borderliner "schnappt" sich in seiner Gier schnell das Begehrte, um es gleich danach wieder abzustoßen, denn um die Individualität des Anderen geht es ihm nicht. Eine andere Form, in der sich dies äußert, sind die für den Außenstehenden widerspruchsvoll erscheinenden Beziehungen: Der Borderliner kann seinen Partner ständig schlecht machen, haßerfüllt von ihm reden und doch von Zeit zu Zeit mit ihm ins Bett gehen.

Sigmund Freud beschrieb 1905 in seinen "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" die gierige Aktivität unter dem relativ begrenzten Aspekt der Sauglust, 1915 führte er dann den Ausdruck "Einverleibung" ein, um den Wunsch des kleinen Kindes in der Beziehung zum "Ihr"- des Mutterbildes zu charakterisieren.

Psychische Einverleibung (Inkorporation) ist ein Vorgang, der sich mehr oder weniger in der Phantasie abspielt und wodurch der Mensch ein "Ihr" in sein Körperinneres eindringen läßt und es dort bewahrt. Die Einverleibung stellt ein Triebziel dar und ist eine Form der "Ihr"-Beziehung, die für die gierige Stufe charakteristisch ist; sie steht vorwiegend mit der Beiß- und Kau-Aktivität und der Nahrungsaufnahme in Zusammenhang. Sexualität und Nahrungsaufnahme sind in der "oralen" Phase des Kindes eng miteinander verknüpft. Dies bedeutet, daß für das Kleinkind Liebesbemächtigung und Vernichtung des Objektes zusammenfällt.

Diese (kannibalistische) Einverleibung beinhaltet drei Funktionen: sich Lust verschaffen, indem man ein Objekt in sich eindringen läßt; dieses Objekt zerstören; sich die Qualitäten dieses Objektes aneignen, indem man es in sich aufbewahrt: Wen ich liebe, den fresse ich auf.

Die orale Phase hat für das spätere Leben seine Bedeutung, indem das Kind die Oralität als Modell für jede Einverleibung lernt, die auch in Beziehung zu anderen erogenen Zonen und anderen Funktionen erlebt werden kann (man sagt z.B.: "ein Buch verschlingen", "zum Fressen gern", man hat ein "Konzert genossen" oder sich "ein Video reingezogen").

 

 

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